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INTRO

Fenster zur Welt
Zu den Bildern von Christoph Schneider
von Andreas Kühne

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Nähert man sich dem bildnerischen Werk von Christoph Schneider flanierend, betrachtend und reflektierend, begegnet man einem breit gefächerten, geradezu überwältigenden Tableau von Öl- und Acrybildern, Zeichnungen, Fotografien und Fine-Art-Prints. Erst langsam ordnet und verdichtet sich das Gesehene zu Strukturen, Motiven und charakteristischen Techniken.
James Elkins, ein Kunsttheoretiker am „School of the Art Institute“ in Chicago schrieb kürzlich in einem Essay über zeitgenössische Kunst: „Die Erzählung ist nicht tot, aber das Thema ist gestorben.“ Christoph Scheider mangelt es jedoch weder an Erzählungen, noch an Themen. Im Gegenteil scheint es, als müsse er seinen bildnerischen Mitteilungsdrang zügeln, um ihm zu einer adäquaten ästhetischen Form, zu einer Verdichtung zu verhelfen.
Studiert hat der Künstler von 1980 bis 1986 in der Klasse von
Rudi Tröger an der Münchner Akademie der Bildenden Künste und wurde einer seiner Meisterschüler. Bis heute prägen klassische Themen und Motive das Werk von Rudi Tröger: Landschaften, Bildnisse und Stilleben. An der Gegenständlichkeit seiner Malerei hat er immer festgehalten, doch nicht die Gegenständlichkeit per se interessiert ihn, sondern einzig jene Metamorphose vom „Seherlebnis“ in die „Bildidee“, die sich im Malvorgang und über die Malmittel ereignet (Michael Semff). Von hier aus lässt sich eine tragfähige Brücke schlagen zum Werk seines Schülers Christoph Schneider. Auch dessen Werk ist im Wesentlichen gegenständlich geblieben, auch wenn sich seine künstlerischen Prozesse und zunehmend auch seine Medien gravierend von denen seines Lehrers unterscheiden. An Rudi Tröger schätzt er bis heute dessen differenzierte sinnliche Wahrnehmung einerseits und den tektonischen Bildaufbau andererseits.
Schon in seiner Kindheit kam Christoph Schneider durch seinen Vater mit bildender Kunst, insbesondere mit der Volkskunst des Alpenraums in Berührung. Im Winter malten sie gemeinsam Hinterglasbilder mit erfundenen und tradierten, teils auch religiösen Motiven, im Sommer aquarellierte er en plein air in der Natur, dort, wo er aufgewachsen ist, im südlichen Chiemgau.
Die Bildwelt von Paul Cézanne begeisterte ihn schon früh, später auch das Erlebnis der Werke von Chaim Soutine, James Ensor und Edvard Munch. Doch letztendlich scheint es müßig, den Einfluss einzelner Maler, die ihn berührt, bewegt und inspiriert haben, nachzuzeichnen, da er ein origineller und originärer Künstler ist, ein Selbstdenker und Selbstfinder.
Am ehesten kann man ihn im Zusammenhang mit der expressionistischen Kunst sehen, der klassischen sowie der postmodernen. Ein Expressionist ist er in dem Sinne, dass die expressiven Elemente seiner Arbeiten gegenüber den veristischen, appellativen und abstrakten eindeutig überwiegen. Die – keineswegs neue – Einsicht, dass der Expressionismus seinem Wesen nach eine religiöse, mindestens spirituelle Kunst ist, auch dort, wo sie sich ganz profaner Sujets bemächtigt, findet im Werk von Christoph Schneider ein vielfaches Echo, aber auch Brechung und Widerspruch.
Ein Werk wie die
„Drei Könige“ ist naturgemäß keine Illustration zum Matthäusevangelium, aber es spielt auf die neutestamentarische Erzählung von den Weisen aus dem Morgenland an. Die drei Magier oder Sterndeuter in blauen und roten Gewändern wachsen frontal und statisch vor uns aus einem farbig vielfältig differenzierten Hintergrund. Ihre runden Nimben, die den Raum um die Kronen füllen, sind keine goldenen Licht- und Leuchterscheinungen, sondern in rote Farbe getaucht. Georges Rouault hat hier Pate gestanden, aber auch die Kunst des Mittelalters.
Löst man die geographischen und zeitålichen Grenzen auf, die von der Kunstgeschichte um die Künstlergruppen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ gezogen worden sind, versteht man „Expressionismus“ viel besser als eine Geisteshaltung, eine grundlegende Konstituente der Moderne, die Gottfried Benn in einem Aufsatz über den „Expressionismus“ eine „schöpferische Spannung“, eine „Wirklichkeitszertrümmerung“ und einen „transzendenten Realismus“ genannt hat. Die Sehnsucht nach einer spirituellen oder auch nur kontemplativen Gestimmtheit, die von einem Kunstwerk ausgehen kann und soll, ist vom Beginn der Moderne bis in die Gegenwart immer virulent geblieben. Dies schließt ein, dass die Suche nach dem Ursprünglichen und Widerständigen auch vor dem Rohen, Brutalen und Kruden nicht Halt machen darf. Das Numinose, das Magische und das tief im Augenblick Verhaftete, emotional Wahrgenommene sind Motive, die in unterschiedlicher Gestalt in vielen Bildern Christoph Schneiders wiederkehren. Er selbst sagt, dass ihm eine „betont intellektuelle Kunst nicht entsprechen würde.“ Seine Bilder sind „Terrassen“, Ausblicke und Fenster in die Welt, die äußere wie auch die innere. Die sinnliche Wahrnehmung bildet für ihn eine stetige Kraftquelle, die die Welt, seine bildnerische Arbeit und ihn selbst miteinander verbindet. Reine Abstraktionen werden wir in seinem Werk kaum finden.

Portraits und Selbstportraits
Das eigene Ich ist naturgemäß schwer zu fassen, sowohl in der Selbstreflexion als auch in der künstlerischen Darstellung. Auch für Meister des Selbstportraits wie Albrecht Dürer, Goya oder Max Beckmann war diese Aufgabe eine stete Herausforderung. „Die Suche nach dem eigenen Selbst ist der ewige, nie zu übersehende Weg, den wir gehen müssen“, schrieb Max Beckmann. Christoph Schneider hat sich der malerischen „Selbstergründung“ in Form eines „Selbstportraits“ nur selten gestellt, dafür aber umso intensiver. Das von 1983 ist ein gelungenes, Ähnlichkeit beanspruchendes und einlösendes Bild und zugleich ein Dokument der Selbstbehauptung und Selbstvergewisserung. Vor einen leicht bewegten, dunklen Hintergrund schaut der Porträtierte im Halbprofil am Betrachter vorbei, nimmt keinen Blickkontakt auf, ohne jedoch auf die Wahrnehmung durch ein Gegenüber ganz verzichten zu wollen. Der weiße Kragen und die Hemdbrust kontrastieren so deutlich mit dem dunklen Grund und der nur angedeuteten Jacke, dass das mit gedeckten, roten, grauen, blauen und ockerbraunen Farben modellierte Gesicht deutlich hervortreten kann. Ein von Erinnerung und Erfahrung geprägtes Gesicht, dessen schonungsloser Selbstergründung wir unmittelbar Glauben schenken.
Ein anderes Zeugnis der malerischen Selbsterforschung ist das 1984 entstandene Doppelportrait „U. und ich“. Ähnlich wie auf dem „Doppelbildnis Marées und Lenbach“ (1863) von Hans von Marées, einem der bekanntesten Doppelportraits der frühen Moderne, befinden sich hier die beiden Protagonisten in einem psychologisch geschilderten Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz. „U‘s.“ Blick, deren Halbprofil sich von einem blauen, rechteckigen Hintergrund abhebt, ist auf den Maler gerichtet, während dieser aus dem Bild heraus schaut. Der flammend rote Haarschopf von „U.“ verweist auf die Emotion, von der die ganze „Szene“ getragen wird.

Auch andere „Portraits“ wie „Mutter mit Kind“ von 2018 verzichten, ohne dabei zu psychologisieren, nicht auf eine individuelle Charakterisierung. Klassische, ikonische Madonnendarstellungen sind hier zum Greifen nahe. Auf Christoph Schneiders Bild trägt die Mutter ein schwarzes Kleid, das kanonische Blau der Mariengewänder ist in den Hintergrund gerückt und findet ein Gegengewicht in einem diagonal verlaufenden blauen Pinselstrich am unteren Bildrand. Anstelle eines Nimbus wächst der Kopf der Mutter aus einem grau-weißen Farbfleck heraus. Beim Kopf des Kindes verzichtet der Künstler auf eine individualisierte Darstellung, er ist nur typologisch zu deuten.
Mit den beiden Kinderportraits „Child-Rome, I und II“ demonstriert der Künstler seine prozesshafte Arbeitsweise, die nicht nur den einen, als unabdingbar angesehenen Zustand anstrebt. In der ersten Version handelt es sich um ein fast klassisch zu nennendes Bild eines Mädchens in Frontalansicht, dessen ikonographische Wurzeln bis zu Bonnard und Matisse zurückreichen. In der zweiten Version sind nur die fragmentarisch angedeuteten Konturen von Gesicht und Körper erhalten geblieben. Aus dem „Portrait“ ist eine informelle Etüde über die Möglichkeiten der Malerei geworden.

Andere Medien
Das Werk von Christoph Schneider umfasst, wie schon eingangs betont wurde, eine Vielzahl von Themen, Motiven und Erzählungen. Aber auch das Spektrum der künstlerischen Techniken, deren er sich bedient, ist breit gefächert.
Die teilweise großformatigen Zeichnungen entwickeln sich parallel und komplementär zu seinem malerischen Werk. Die rätselhafte Zeichnung „Hoax“ von 2020 gleicht einem Traumgebilde, und tatsächlich bezieht sie sich auf einen Traum des Künstlers, in dem sich die Hände zweier, diagonal im Raum stehender Figuren inmitten eines lockeren Geflechts aus Linien, Kreisen, Punkten und Kreuzen berührt haben. Ein Strich entwickelte sich aus einem anderen bis eine filigrane Architektur auf dem Blatt entstand.

Ob die Glieder der Traumfiguren aufeinander zustreben oder sich voneinander entfernen, wissen wir nicht. Ebenso bleibt offen, ob es sich um eine vertrauenschaffende Geste, eine dextrarum iunctio, handelt, oder diese nur vorgetäuscht ist, wie der Titel der Arbeit nahelegt.
Auf die Motive und Sichtweisen der Fotografien von Christoph Schneider, die häufig mit denen seiner Bilder korrespondieren, kann hier nicht eingegangen werden.
Relativ neu in seinem Werk sind die „fine-art-prints“. Die Verwendung der digitalen Technologie erfolgt auch hier aus einem malerischen Denken heraus. Nur in Ausnahmefällen werden die Drucke manuell überarbeitet. Pars pro toto soll hier der Blick der Betrachter auf die Arbeit
„Three people dark“ gelenkt werden: im Vordergrund einer Bühne, auf einer Art Proszenium, steht ein schwarzer weiblicher Akt, der von zwei nur schattenhaft angedeuteten Figuren begleitet wird, die sich entweder auf dem Bühnenvorhang oder in den Kulissen befinden. Rechts und links von diesem Trio öffnen sich die Flügel der Bühne zum Auditorium und damit zur Welt.

Welche Technik, welches Medium Christoph Schneider auch immer verwendet, er schafft damit bildnerische Realisierungen von Motiven, Themen und Erzählungen. Durch ihre künstlerische Qualität, aber auch durch ihre Heterogenität und Originalität zeugen sie von der Wirkungsmacht seiner Kunst.

Andreas Kühne

„Kunst, … das ist der Mensch!“*
Von Christoph Schneider
Ist das eigentliche Medium** in der Kunst letztlich der Mensch selber, als Subjekt, mit der Möglichkeit zur Objektivierung?
In meinen Arbeiten vereinen sich unterschiedliche und gegensätzliche Aspekte: So etwa expressive und ruhige, erlebte und erdachte, illusionistisch gegenständliche und abstrakte, auflösende und strukturierende, auf sinnlicher Wahrnehmung beruhende und eingebildete, konkrete und das Leben aber auch die Malerei und Kunst sozusagen selbst betreffende. In ihnen drückt sich mein Erleben der Welt und meine Sicht auf sie aus. Sie sind Aktion, Innehalten und Reaktion in einem, stehen für Subjekt und Objekt und äußeres wie inneres Motiv. Sie wollen nicht „über" die Welt, als vielmehr "parallel zu, von und mit ihr" sprechen***, – im Kontakt mit ihr, und aus dem heraus, was man vielleicht das Wesen der Malerei, oder weiter gefaßt, der Kunst, nennen könnte.
Seit meiner Kindheit bin ich vor allem durch meinen Vater mit Kunst und Volkskunst, besonders des Alpenraumes, des
Blauen Reiter´s, aber z. B. auch mit der Bildwelt Paul Cezanne´s in Berührung gekommen. Im Winter malten wir Hinterglasbilder in der Malerwerkstatt, im Sommer Aquarelle in der freien Natur.
Später spielten andere Einflüsse eine Rolle:
Rudi Tröger, bei dem ich an der Münchener Kunstakademie in den 1980er-Jahren studierte. Seine Wertschätzung für eine feine sinnliche Wahrnehmung und subjektive Konstrukte entsprach mir sehr. Auch daß er mich darüber hinaus weitgehend in Ruhe ließ. Mein Interesse galt vor allem Künstlern, die nicht typische Vertreter eines bestimmten „-Ismus“ waren, sondern eher in Übergangsphasen produktiv waren und in meinen Augen einen komplexeren Sinn für Realität in Ihrer Arbeit integrieren: Soutine, Ensor, Munch, Daumier, aber auch Leibl und Courbet waren Leute, um nur einige zu nennen, die mich interessierten, auch weil sie über eine rein selbstbezogene Manier hinausgingen. Nach dem ich ein Jahr bei Jörg Immendorff während seiner Gastprofessur in München studierte, lernte ich später in London A. R. Penck kennen. Es folgten Reisen nach (London-) Derry und Edinburgh.
Ein frühes Aquarell, Hinterglasbilder aus meiner Kindheit, sowie einige Aquarelle und Hinterglasbilder meines Vaters und ein Bild A.R. Penck´s, das er mir schenkte, befinden sich am Ende des Sliders auf der nächsten Seite.
Die jeweiligen Audio-Dateien im Fußbereich einiger Seiten sind nicht direkter Teil meiner künstlerischen Konzeption. Es ist eher eine, wenn auch gezielt ausgewählte, Spielerei, sind kleine Vorlieben für eine bestimmte, unaufgeregte Gestimmtheit, so zu finden z. B. in den Stücken Townes van Zandt´s, welche die unsinnliche Erlebnisweise bereichern, die der Bildschirm erzwingt. Wen es stört: bitte einfach ausschalten. Beim betrachten meiner Originalbilder ist eine solche Zusatz-Ebene nicht notwendig. Genauso braucht die Musik natürlich auch nicht meine Bilder. Beides ist autonom, kann sich aber auch ergänzen. So z. B. bei den Improvisationen von Masako Ohta zu einigen meiner Bilder.
Eine überbetont intellektualisierte Kunst entspricht mir nicht. Nicht weil mich intellektuelle Aspekte nicht interessieren, – die sinnliche Wahrnehmung ist für mich jedoch der geeignetere Zugang und die direktere Verbindung zwischen der Welt, meiner Arbeit und mir.

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Zu den Bildern von Christoph Schneider
von Andreas Kühne

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Nähert man sich dem bildnerischen Werk von Christoph Schneider flanierend, betrachtend und reflektierend, begegnet man einem breit gefächerten, geradezu überwältigenden Tableau von Öl- und Acrybildern, Zeichnungen, Fotografien und Fine-Art-Prints. Erst langsam ordnet und verdichtet sich das Gesehene zu Strukturen, Motiven und charakteristischen Techniken.
James Elkins, ein Kunsttheoretiker am „School of the Art Institute“ in Chicago schrieb kürzlich in einem Essay über zeitgenössische Kunst: „Die Erzählung ist nicht tot, aber das Thema ist gestorben.“ Christoph Scheider mangelt es jedoch weder an Erzählungen, noch an Themen. Im Gegenteil scheint es, als müsse er seinen bildnerischen Mitteilungsdrang zügeln, um ihm zu einer adäquaten ästhetischen Form, zu einer Verdichtung zu verhelfen.
Studiert hat der Künstler von 1980 bis 1986 in der Klasse von
Rudi Tröger an der Münchner Akademie der Bildenden Künste und wurde einer seiner Meisterschüler. Bis heute prägen klassische Themen und Motive das Werk von Rudi Tröger: Landschaften, Bildnisse und Stilleben. An der Gegenständlichkeit seiner Malerei hat er immer festgehalten, doch nicht die Gegenständlichkeit per se interessiert ihn, sondern einzig jene Metamorphose vom „Seherlebnis“ in die „Bildidee“, die sich im Malvorgang und über die Malmittel ereignet (Michael Semff). Von hier aus lässt sich eine tragfähige Brücke schlagen zum Werk seines Schülers Christoph Schneider. Auch dessen Werk ist im Wesentlichen gegenständlich geblieben, auch wenn sich seine künstlerischen Prozesse und zunehmend auch seine Medien gravierend von denen seines Lehrers unterscheiden. An Rudi Tröger schätzt er bis heute dessen differenzierte sinnliche Wahrnehmung einerseits und den tektonischen Bildaufbau andererseits.
Schon in seiner Kindheit kam Christoph Schneider durch seinen Vater mit bildender Kunst, insbesondere mit der Volkskunst des Alpenraums in Berührung. Im Winter malten sie gemeinsam Hinterglasbilder mit erfundenen und tradierten, teils auch religiösen Motiven, im Sommer aquarellierte er en plein air in der Natur, dort, wo er aufgewachsen ist, im südlichen Chiemgau.
Die Bildwelt von Paul Cézanne begeisterte ihn schon früh, später auch das Erlebnis der Werke von Chaim Soutine, James Ensor und Edvard Munch. Doch letztendlich scheint es müßig, den Einfluss einzelner Maler, die ihn berührt, bewegt und inspiriert haben, nachzuzeichnen, da er ein origineller und originärer Künstler ist, ein Selbstdenker und Selbstfinder.
Am ehesten kann man ihn im Zusammenhang mit der expressionistischen Kunst sehen, der klassischen sowie der postmodernen. Ein Expressionist ist er in dem Sinne, dass die expressiven Elemente seiner Arbeiten gegenüber den veristischen, appellativen und abstrakten eindeutig überwiegen. Die – keineswegs neue – Einsicht, dass der Expressionismus seinem Wesen nach eine religiöse, mindestens spirituelle Kunst ist, auch dort, wo sie sich ganz profaner Sujets bemächtigt, findet im Werk von Christoph Schneider ein vielfaches Echo, aber auch Brechung und Widerspruch.
Ein Werk wie die
„Drei Könige“ ist naturgemäß keine Illustration zum Matthäusevangelium, aber es spielt auf die neutestamentarische Erzählung von den Weisen aus dem Morgenland an. Die drei Magier oder Sterndeuter in blauen und roten Gewändern wachsen frontal und statisch vor uns aus einem farbig vielfältig differenzierten Hintergrund. Ihre runden Nimben, die den Raum um die Kronen füllen, sind keine goldenen Licht- und Leuchterscheinungen, sondern in rote Farbe getaucht. Georges Rouault hat hier Pate gestanden, aber auch die Kunst des Mittelalters.
Löst man die geographischen und zeitålichen Grenzen auf, die von der Kunstgeschichte um die Künstlergruppen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ gezogen worden sind, versteht man „Expressionismus“ viel besser als eine Geisteshaltung, eine grundlegende Konstituente der Moderne, die Gottfried Benn in einem Aufsatz über den „Expressionismus“ eine „schöpferische Spannung“, eine „Wirklichkeitszertrümmerung“ und einen „transzendenten Realismus“ genannt hat. Die Sehnsucht nach einer spirituellen oder auch nur kontemplativen Gestimmtheit, die von einem Kunstwerk ausgehen kann und soll, ist vom Beginn der Moderne bis in die Gegenwart immer virulent geblieben. Dies schließt ein, dass die Suche nach dem Ursprünglichen und Widerständigen auch vor dem Rohen, Brutalen und Kruden nicht Halt machen darf. Das Numinose, das Magische und das tief im Augenblick Verhaftete, emotional Wahrgenommene sind Motive, die in unterschiedlicher Gestalt in vielen Bildern Christoph Schneiders wiederkehren. Er selbst sagt, dass ihm eine „betont intellektuelle Kunst nicht entsprechen würde.“ Seine Bilder sind „Terrassen“, Ausblicke und Fenster in die Welt, die äußere wie auch die innere. Die sinnliche Wahrnehmung bildet für ihn eine stetige Kraftquelle, die die Welt, seine bildnerische Arbeit und ihn selbst miteinander verbindet. Reine Abstraktionen werden wir in seinem Werk kaum finden.

Portraits und Selbstportraits
Das eigene Ich ist naturgemäß schwer zu fassen, sowohl in der Selbstreflexion als auch in der künstlerischen Darstellung. Auch für Meister des Selbstportraits wie Albrecht Dürer, Goya oder Max Beckmann war diese Aufgabe eine stete Herausforderung. „Die Suche nach dem eigenen Selbst ist der ewige, nie zu übersehende Weg, den wir gehen müssen“, schrieb Max Beckmann. Christoph Schneider hat sich der malerischen „Selbstergründung“ in Form eines „Selbstportraits“ nur selten gestellt, dafür aber umso intensiver. Das von 1983 ist ein gelungenes, Ähnlichkeit beanspruchendes und einlösendes Bild und zugleich ein Dokument der Selbstbehauptung und Selbstvergewisserung. Vor einen leicht bewegten, dunklen Hintergrund schaut der Porträtierte im Halbprofil am Betrachter vorbei, nimmt keinen Blickkontakt auf, ohne jedoch auf die Wahrnehmung durch ein Gegenüber ganz verzichten zu wollen. Der weiße Kragen und die Hemdbrust kontrastieren so deutlich mit dem dunklen Grund und der nur angedeuteten Jacke, dass das mit gedeckten, roten, grauen, blauen und ockerbraunen Farben modellierte Gesicht deutlich hervortreten kann. Ein von Erinnerung und Erfahrung geprägtes Gesicht, dessen schonungsloser Selbstergründung wir unmittelbar Glauben schenken.
Ein anderes Zeugnis der malerischen Selbsterforschung ist das 1984 entstandene Doppelportrait „U. und ich“. Ähnlich wie auf dem „Doppelbildnis Marées und Lenbach“ (1863) von Hans von Marées, einem der bekanntesten Doppelportraits der frühen Moderne, befinden sich hier die beiden Protagonisten in einem psychologisch geschilderten Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz. „U‘s.“ Blick, deren Halbprofil sich von einem blauen, rechteckigen Hintergrund abhebt, ist auf den Maler gerichtet, während dieser aus dem Bild heraus schaut. Der flammend rote Haarschopf von „U.“ verweist auf die Emotion, von der die ganze „Szene“ getragen wird.

Auch andere „Portraits“ wie „Mutter mit Kind“ von 2018 verzichten, ohne dabei zu psychologisieren, nicht auf eine individuelle Charakterisierung. Klassische, ikonische Madonnendarstellungen sind hier zum Greifen nahe. Auf Christoph Schneiders Bild trägt die Mutter ein schwarzes Kleid, das kanonische Blau der Mariengewänder ist in den Hintergrund gerückt und findet ein Gegengewicht in einem diagonal verlaufenden blauen Pinselstrich am unteren Bildrand. Anstelle eines Nimbus wächst der Kopf der Mutter aus einem grau-weißen Farbfleck heraus. Beim Kopf des Kindes verzichtet der Künstler auf eine individualisierte Darstellung, er ist nur typologisch zu deuten.
Mit den beiden Kinderportraits „Child-Rome, I und II“ demonstriert der Künstler seine prozesshafte Arbeitsweise, die nicht nur den einen, als unabdingbar angesehenen Zustand anstrebt. In der ersten Version handelt es sich um ein fast klassisch zu nennendes Bild eines Mädchens in Frontalansicht, dessen ikonographische Wurzeln bis zu Bonnard und Matisse zurückreichen. In der zweiten Version sind nur die fragmentarisch angedeuteten Konturen von Gesicht und Körper erhalten geblieben. Aus dem „Portrait“ ist eine informelle Etüde über die Möglichkeiten der Malerei geworden.

Andere Medien
Das Werk von Christoph Schneider umfasst, wie schon eingangs betont wurde, eine Vielzahl von Themen, Motiven und Erzählungen. Aber auch das Spektrum der künstlerischen Techniken, deren er sich bedient, ist breit gefächert.
Die teilweise großformatigen Zeichnungen entwickeln sich parallel und komplementär zu seinem malerischen Werk. Die rätselhafte Zeichnung „Hoax“ von 2020 gleicht einem Traumgebilde, und tatsächlich bezieht sie sich auf einen Traum des Künstlers, in dem sich die Hände zweier, diagonal im Raum stehender Figuren inmitten eines lockeren Geflechts aus Linien, Kreisen, Punkten und Kreuzen berührt haben. Ein Strich entwickelte sich aus einem anderen bis eine filigrane Architektur auf dem Blatt entstand.

Ob die Glieder der Traumfiguren aufeinander zustreben oder sich voneinander entfernen, wissen wir nicht. Ebenso bleibt offen, ob es sich um eine vertrauenschaffende Geste, eine dextrarum iunctio, handelt, oder diese nur vorgetäuscht ist, wie der Titel der Arbeit nahelegt.
Auf die Motive und Sichtweisen der Fotografien von Christoph Schneider, die häufig mit denen seiner Bilder korrespondieren, kann hier nicht eingegangen werden.
Relativ neu in seinem Werk sind die „fine-art-prints“. Die Verwendung der digitalen Technologie erfolgt auch hier aus einem malerischen Denken heraus. Nur in Ausnahmefällen werden die Drucke manuell überarbeitet. Pars pro toto soll hier der Blick der Betrachter auf die Arbeit
„Three people dark“ gelenkt werden: im Vordergrund einer Bühne, auf einer Art Proszenium, steht ein schwarzer weiblicher Akt, der von zwei nur schattenhaft angedeuteten Figuren begleitet wird, die sich entweder auf dem Bühnenvorhang oder in den Kulissen befinden. Rechts und links von diesem Trio öffnen sich die Flügel der Bühne zum Auditorium und damit zur Welt.

Welche Technik, welches Medium Christoph Schneider auch immer verwendet, er schafft damit bildnerische Realisierungen von Motiven, Themen und Erzählungen. Durch ihre künstlerische Qualität, aber auch durch ihre Heterogenität und Originalität zeugen sie von der Wirkungsmacht seiner Kunst.

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„Kunst, … das ist der Mensch!“*
Von Christoph Schneider
Ist das eigentliche Medium** in der Kunst letztlich der Mensch selber, als Subjekt, mit der Möglichkeit zur Objektivierung?
In meinen Arbeiten vereinen sich unterschiedliche und gegensätzliche Aspekte: So etwa expressive und ruhige, erlebte und erdachte, illusionistisch gegenständliche und abstrakte, auflösende und strukturierende, auf sinnlicher Wahrnehmung beruhende und eingebildete, konkrete und das Leben aber auch die Malerei und Kunst sozusagen selbst betreffende. In ihnen drückt sich mein Erleben der Welt und meine Sicht auf sie aus. Sie sind Aktion, Innehalten und Reaktion in einem, stehen für Subjekt und Objekt und äußeres wie inneres Motiv. Sie wollen nicht „über" die Welt, als vielmehr "parallel zu, von und mit ihr" sprechen***, – im Kontakt mit ihr, und aus dem heraus, was man vielleicht das Wesen der Malerei, oder weiter gefaßt, der Kunst, nennen könnte.
Seit meiner Kindheit bin ich vor allem durch meinen Vater mit Kunst und Volkskunst, besonders des Alpenraumes, des
Blauen Reiter´s, aber z. B. auch mit der Bildwelt Paul Cezanne´s in Berührung gekommen. Im Winter malten wir Hinterglasbilder in der Malerwerkstatt, im Sommer Aquarelle in der freien Natur.
Später spielten andere Einflüsse eine Rolle: Rudi Tröger, bei dem ich an der Münchener Kunstakademie in den 1980er-Jahren studierte. Seine Wertschätzung für eine feine sinnliche Wahrnehmung und subjektive Konstrukte entsprach mir sehr. Auch daß er mich darüber hinaus weitgehend in Ruhe ließ. Mein Interesse galt vor allem Künstlern, die nicht typische Vertreter eines bestimmten „-Ismus“ waren, sondern eher in Übergangsphasen produktiv waren und in meinen Augen einen komplexeren Sinn für Realität in Ihrer Arbeit integrieren: Soutine, Ensor, Munch, Daumier, aber auch Leibl und Courbet waren Leute, um nur einige zu nennen, die mich interessierten, auch weil sie über eine rein selbstbezogene Manier hinausgingen. Nach dem ich ein Jahr bei Jörg Immendorff während seiner Gastprofessur in München studierte, lernte ich später in London A. R. Penck kennen. Es folgten Reisen nach (London-) Derry und Edinburgh.
Ein frühes Aquarell, Hinterglasbilder aus meiner Kindheit, sowie einige Aquarelle und Hinterglasbilder meines Vaters und ein Bild A.R. Penck´s, das er mir schenkte, befinden sich am Ende des Sliders auf der nächsten Seite.
Die jeweiligen Audio-Dateien im Fußbereich einiger Seiten sind nicht direkter Teil meiner künstlerischen Konzeption. Es ist eher eine, wenn auch gezielt ausgewählte, Spielerei, sind kleine Vorlieben für eine bestimmte, unaufgeregte Gestimmtheit, so zu finden z. B. in den Stücken Townes van Zandt´s, welche die unsinnliche Erlebnisweise bereichern, die der Bildschirm erzwingt. Wen es stört: bitte einfach ausschalten. Beim betrachten meiner Originalbilder ist eine solche Zusatz-Ebene nicht notwendig. Genauso braucht die Musik natürlich auch nicht meine Bilder. Beides ist autonom, kann sich aber auch ergänzen. So z. B. bei den Improvisationen von Masako Ohta zu einigen meiner Bilder.
Eine überbetont intellektualisierte Kunst entspricht mir nicht. Nicht weil mich intellektuelle Aspekte nicht interessieren, – die sinnliche Wahrnehmung ist für mich jedoch der geeignetere Zugang und die direktere Verbindung zwischen der Welt, meiner Arbeit und mir.

* Zitat: Vincent van Gogh.
** Zu verstehen als vermittelndes Element, geistig wie materiell, nicht als jemand, der sich für Verbindungen zu einem übersinnlichen Bereich für besonders befähigt hält.
*** In Abwandlung des Paul Cezanne-Zitates:
Ich bedauere, daß wir (er meint damit die Natur/Welt) nicht Hand in Hand gehen können… “

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